Newsletter No. 75

Liebe Grüne Freund*innen, Wähler*innen, Unterstützer*innen!

Mir haben die Ereignisse der letzten Wochen zunächst einmal die Sprache verschlagen. Auch heute fällt es mir schwer, Worte zu finden, die dem angemessen sind, was sich gerade in Palästina abspielt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so bedrückend überwältigt gewesen zu sein von dem, was an Nachrichten auf mich eindringt. So überfordert von der Aufgabe, das Geschehen vom 7. Oktober und danach einzuordnen. Stattdessen bin ich: erschüttert. Verzweifelt. Wütend. Traurig. Aber auch verwirrt, ohnmächtig, hilflos, fassungslos.

Wie kann das sein, dass militärische Kräfte der Hamas es als Option sehen, mehr als 1400 Zivilisten zu massakrieren, Tausende zu verletzten, Hunderte zu kidnappen? Und was ist die richtige Reaktion darauf? My Lai und Butscha sind beispielgebend.

Wie kann das sein, dass zwei Millionen Menschen im Gazastreifen in Geiselhaft genommen, bombardiert und ausgehungert werden, um Leib und Leben fürchten müssen – genauso wie die Menschen in Israel, die dort permanent beschossen werden? Und welche Position ist dazu angemessen?
Wie kann das sein, dass in Deutschland jüdische Mitbürger*innen wieder mit Davidssternen an ihren Türen und Molotov-Cocktails gegen ihre Einrichtungen rechnen müssen? Und was muss eine Gesellschaft tun, um dagegenzuhalten?

Wie kann es sein, dass „from the river to the sea“ – also die Zerstörung des Staates Israel – gesellschaftsfähig wird? Wollen wir das wirklich?
Wie kann es sein, dass auf der Buchmesse, DEM Ort der intellektuellen Auseinandersetzung schlechthin, dem Philosophen Zizek Relativismus vorgeworfen wird, wenn er daran erinnert, dass es immer einen historischen Kontext für solche Ereignisse gibt. Wollen wir diese intellektuelle Herausforderung negieren?

Wie kann es sein, dass seit Jahrzehnten Menschen in Palästina unter menschenunwürdigen Bedingungen, Israelis in permanenter existenzieller Bedrohung leben müssen – weil die Mächtigen nicht friedensfähig sind? Soll das so bleiben?
Fragen. Keine Antworten. Wir müssen wie so oft nun in den vergangenen Jahren, mit der kognitiven Dissonanz leben, dass es keine schnellen und schon gar keine einfachen Antworten gibt.

Gut wäre es, wenn es ein Innehalten gäbe. Ein Ende der Bombardements. Vielleicht liefert diese Eskalation den Impuls, sich endlich mit tragfähigen, dauerhaften Lösungen zu befassen.

Das hofft jedenfalls

Euer/Ihr

Dr. Christof Schütz

PS: In Linden hat die AfD bei der Landtagswahl 16,43% der abgegebenen Stimmen bekommen. Mit 14,69% liegen wir Grünen im Hessentrend (14,8%). Auch kein Grund zur Freude.